Rechtsprechung aktuelle Urteile zum Schlagwort Beleidigung

Rechtsprechung Aktuelle Urteile zu Beleidigung

BVerfG vom 19.05.2020 – 1 BvR 362/18

Folgende Äusserungen in einem Beschwerdebrief stellen keine Beleidigungen dar. “persönlich bösartig, hinterhältig, amtsmissbräuchlich und insgesamt asozial

 

BVerfG vom 14.06.2019 – 1 BvR 2433/17

“Verhandlungsführung der Amtsrichterin wie bei NS-Sondergericht” – Meinungsfreiheit? – Ist keine Beleidigung”

Die Entscheidungen der Gerichte verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.”

In einem Ablehnungsgesuch schilderte der Kläger ausführlich seinen Eindruck, dass die Verhandlungsführung der Amtsrichterin u.a. stark an “einschlägige Gerichtsverfahren vor ehemaligen nationalsozialistischen deutschen Sondergerichten” erinnere. Schmähkritik oder Meinungsfreiheit?

Der Sachverhalt Der Beschwerdeführer war Kläger eines amtsgerichtlichen Zivilprozesses. In der Begründung eines Ablehnungsgesuchs schilderte er ausführlich seinen Eindruck, die Richterin habe einen vom Beklagten benannten Zeugen einseitig zu seinen Lasten vernommen und diesem die von ihr erwünschten Antworten gleichsam in den Mund gelegt. Er führte weiter aus, „die Art und Weise der Beeinflussung der Zeugen und der Verhandlungsführung durch die Richterin sowie der Versuch, den Kläger von der Verhandlung auszuschließen“ erinnerten stark an „einschlägige Gerichtsverfahren vor ehemaligen nationalsozialistischen deutschen Sondergerichten“.

Verhandlungsführung wie bei nationalsozialistischen Sondergerichten und Hexenprozessen

Die gesamte Verhandlungsführung der Richterin habe “eher an einen mittelalterlichen Hexenprozess als an ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geführtes Verfahren” erinnert.

Der Prozessverlauf Wegen dieser Äußerungen verurteilte das Amtsgericht den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen. Berufung, Revision und Anhörungsrüge des Beschwerdeführers blieben erfolglos.

Beleidigung, Schmähkritik oder Meinungsfreiheit Grundsätzlich ist über die Frage, ob eine Äußerung als Beleidigung zu bestrafen ist oder von der Meinungsfreiheit geschützt ist, im Wege einer Abwägung zu entscheiden. Bei Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik tritt demgegenüber die Meinungsfreiheit von vornherein zurück; es bedarf hier ausnahmsweise keiner Abwägung im Einzelfall. Deshalb sind hinsichtlich des Vorliegens von Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden. Maßgeblich ist hierfür nicht einfach eine wertende Gesamtbetrachtung, sondern die Frage, ob die Äußerung einen Sachbezug hat. Nur wenn eine Äußerung der Sache nach allein auf die Diffamierung einer Person als solche, etwa im Rahmen einer Privatfehde zielt, kommt eine Beurteilung als Schmähung in Betracht; insoweit sind Anlass und Kontext der Äußerung zu ermitteln. Wenn die Äußerung hingegen – wie in der Regel – im Kontext einer Sachauseinandersetzung steht, bedarf es einer Abwägung, die die Bedeutung der Äußerung unter den konkreten Umständen des Einzelfalls gewichtet. Vor diesem Hintergrund hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts der Verfassungsbeschwerde stattgegeben. Von den Fachgerichten waren die Äußerungen unzutreffend als Schmähkritik eingeordnet worden, obwohl es sich nicht um eine reine Herabsetzung der Betroffenen handelte, sondern ein sachlicher Bezug zu dem vom Beschwerdeführer geführten Zivilprozess bestand.”

 

BVerfG  vom 06.06.2017 1- BvR 180/17

Vergleich einer Gerichtsverhandlung mit Musikantenstadl nicht strafbar.

Ein Rechtsanwalt, der in einem Schriftsatz die Verhandlungsführung des Gerichts mit den Worten „Der Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht P. glich dann schon dem, was ich als Musikantenstadl bezeichnen möchte“ kritisiert, kann nicht wegen Beleidigung des Richters strafrechtlich belangt werden. Der Rechtsstreit über die Äußerung wurde bis zum Bundesverfassungsgericht ausgefochten. Dieses hielt die Verfassungsbeschwerde des streitbaren Anwalts für zulässig und begründet.
Das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehört laut Gericht zum Kernbereich der Meinungsfreiheit, weshalb deren Gewicht insofern besonders hoch zu bewerten sei. Daher können auch polemische und überspitzte Äußerungen über ein Gericht erlaubt sein.

 

OLG München vom 31.05.2017 – OLG 13 Ss 81/17 = BeckRS 2017, 112292

In München für Richter zu akzeptieren: “Eigentlich sind Sie so wie Freisler – nur anders!”

Die Rechtsprechung zu den Ehrdelikten führt immer einmal wieder zu Stirnrunzeln. Da gibt es echte Beleidigungs-Klassiker. Gerne etwa werden “Nazi-Vergleiche” als noch hinnehmbar angenommen. So etwa, wenn Volker Beck von den Grünen als “Obergauleiter der SA-Horden” bezeichnet wird. Soll schon o.k. sein. Aha. Und auch bei einem unsäglichen Freisler-Vergleich stellt das OLG München sinngemäß fest: “Ist schon o.k. so. Strafbar ist es nicht. Aber wir billigen das nicht.” Immerhin.

I. Auf die Revision des Angeklagten werden die Urteile des Amtsgerichts München vom 2. Oktober 2015 und des Landgerichts München I vom 30. November 2016 aufgehoben.

II. Der Angeklagte wird freigesprochen.

III. Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe:
Die zulässige Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und führt zu seinem Freispruch (§ 354 Abs. 1 StPO).
1. Das Amtsgericht München hat den Angeklagten nach einem vorangegangenen Strafbefehlsverfahren am 2. Oktober 2015 wegen Beleidigung in drei tateinheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 100 € verurteilt. Ein erstes die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft verwerfendes Urteil des Landgerichts hat der Senat mit Beschluss vom 11. Juli 2016 aufgehoben und die Sache an eine andere Strafkammer zurückverwiesen. Mit Urteil vom 30. November 2016 hat das Landgericht München I erneut beide Berufungen verworfen.
Dem Schuldspruch im nunmehr angefochtenen Berufungsurteil lag zugrunde, dass der Angeklagte in einer in einem Beschwerdeverfahren beim Oberlandesgericht München erhobenen Anhörungsrüge vom 16. Februar 2015, in der er sich mit der Nichteinleitung eines Ermittlungsverfahrens hinsichtlich einer von ihm erhobenen Strafanzeige und der Verwerfung seines diesbezüglichen Klageerzwingungsantrages durch das Oberlandesgericht beschäftigt, unter Ziff. IX ausführte:

“Der Unterschied zwischen Ihnen und Roland Freisler liegt in Folgendem: Während Roland Freisler im Gerichtssaal schrie und tobte und überhaupt keinen Wert darauf legte, das von ihm begangene Unrecht in irgendeiner Weise zu verschleiern, gehen Sie den umgekehrten Weg: Sie haben sich ein Mäntelchen umgehängt, auf dem die Worte „Rechtsstaat” und „Legitimität” aufgenäht sind. Sie hüllen sich in einen Anschein von Pseudolegitimität, die Sie aber in Wahrheit in keiner Weise für sich beanspruchen können. Denn in Wahrheit begehen Sie – zumindest in diesem vorliegenden Justizskandal – genauso schlicht Unrecht, wie es auch Roland Freisler getan hat. So betrachtet ist das Unrecht, das Sie begehen noch viel perfider, noch viel abgründiger, noch viel hinterhältiger als das Unrecht, das ein Roland Freisler begangen hat: Bei Roland Freisler kommt das Unrecht sehr offen, sehr direkt, sehr unverblümt daher. Bei Ihnen hingegen kommt das Unrecht als unrechtmäßige Beanspruchung der Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie daher: Sie berufen sich auf die Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, handeln dem aber – zumindest in dem vorliegenden Justizskandal – zuwider.”.
Das Landgericht hat ausgeführt, dass es sich bei den Äußerungen des Angeklagten unter Ziff. IX der Anhörungsrüge um beleidigende Werturteile handele, die den Tatbestand des § 185 StGB erfüllten (UA S. 131-133). Diese seien auch nicht nach § 193 StGB gerechtfertigt. Die gebotene Abwägung ergebe, dass hier die persönliche Ehre der Betroffenen die Meinungsfreiheit des Angeklagten überwiege, insbesondere weil es sich um eine grobe Beleidigung handele, der Senat für Ausfälligkeiten des Angeklagten keinen Anlass gegeben habe und der Angeklagte mit seiner Anhörungsrüge keine besonders gewichtigen Interessen der Allgemeinheit verfolgt habe (UA S. 134137).

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen rechts beanstandet. Mit der sachrüge wendet er sich insbesondere gegen die seiner Ansicht nach fehlerhafte Abwägung im Rahmen des § 193 StGB.
Die Generalstaatsanwaltschaft hält die Revision für offensichtlich unbegründet. Ins-besondere sei die Äußerung aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Ent-scheidung nicht mehr von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt.

II.
Während die Verfahrensrüge aus den von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer An-tragsschrift vom 3. März 2017 mitgeteilten Gründen erfolglos bleibt, ist die erhobene Sachrüge begründet und führt zum Freispruch des Angeklagten. Die Revision rügt im Ergebnis zu Recht, dass das Berufungsgericht die Abwägung im Rahmen des § 193 StGB rechtsfehlerhaft vorgenommen hat.
1. Die Kammer hat allerdings zutreffend die streitgegenständlichen Äußerungen als Werturteile qualifiziert, die zwar nicht als Schmähkritik zu werten sind (vgl. dazu bereits Senatsbeschluss vom 11. Juli 2016 sowie Hilgendorf in Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch (LK-StGB), 12. Aufl., § 193 Rdn. 25 und BVerfG, Beschluss vom 28.07.2014, 1 BvR 482/13, zitiert nach juris, dort Rd. 11 (ebenfalls zur Kritik an richter-lichen Handlungen)), den Tatbestand des § 185 StGB aber grundsätzlich erfüllen, weil sie das Handeln der betroffenen Richter mit dem Vorgehen von Roland Freisler vergleichen (UA S. 130-133; vgl. zur Auslegung im Einzelnen LK-StGB-Hilgendorf aaO § 185 Rdn. 17 und 21 und zu einem vergleichbaren Sachverhalt Beschluss des OLG Frankfurt vom 20.03.2012, 2 Ss 329/11, zitiert nach juris, dort Rdn. 5).
2. Wie das Landgericht zunächst ebenfalls richtig ausführt, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob das Handeln des Angeklagten nach § 193 StGB gerechtfertigt ist. Diese Ausführungen des Tatrichters sind jedoch nicht frei von Rechtsfehlern und berücksich-tigen nicht alle maßgeblichen Kriterien. Im Einzelnen sind hierzu folgende Bemerkungen veranlasst:
a) In Fällen ehrenrühriger Werturteile wie vorliegend wird § 193 StGB letztlich von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG konsumiert, an diesem ist die Meinungsäußerung im Ergebnis zu messen (vgl. LK-StGB-Hilgendorf aa0 § 193 Rdn. 4). Allerdings gewährleistet Art. 5 Abs. 2 GG auch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung nur in den Schranken der allgemeinen Gesetze, zu denen auch die Strafgesetze gehören. Die Strafvorschrift des § 185 StGB muss somit im Licht der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im frei-heitlich-demokratischen Rechtsstaat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden, sog. “Wechselwir-kung (vgl. LK-StGB-Hilgendorf aa0 § 193 Rdn. 4f. m. w. N.; BayObLGSt 1994, 121,123; BayObLGSt 2004, 133, 137f.). Nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz ist eine umfassende und einzelfallbezogene Güter- und Pflichtenabwägung vorzunehmen (LK-StGB-Hilgendorf aa0 § 193 Rdn. 6; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 193 Rdn. 9, je m. w. N.). Diese Abwägung ist eine reine Rechtsfrage, so dass sie bei ausreichender Tatsachengrundlage auch vom Re-visionsgericht vorzunehmen ist (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 07.02.2014, 1 Ss 599/13, zitiert nach juris, Rdn. 21).

b) Bei Kritik an richterlichen Entscheidungen steht im Rahmen dieser Gesamtabwägung dem vom Bundesverfassungsgericht (vgl. etwa BVerfG, NJW 1995, 3303, 3304) be-tonten Recht des Bürgers, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt auch mit drastischen Worten zu kritisieren, die Ehrverletzung der Richter gegenüber. Vor dem Hintergrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung muss diese Beeinträchtigung (sofern keine Schmähkritik vorliegt) gegenüber der Meinungsäußerungsfreiheit grundsätzlich dann zurücktreten, wenn der Vorwurf Teil einer umfassenderen Meinungsäußerung ist und der Durchsetzung legitimer prozessualer Rechte dient (vgl. BayObLGSt 2001, 92, 100). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Richter schon von Berufs wegen in der Lage und auch gehalten ist, überpointierte Kritik an seiner Arbeit beim „Kampf um das Recht” auszuhalten (BayObLGSt 2001, 92, 100; OLG Naumburg, StraFo 2012, 283f.).
b) Nach diesen Maßstäben ist das Handeln des Angeklagten auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nach § 193 StGB noch gerechtfertigt.
Der Angeklagte stellt im Rahmen seiner Ausführungen dar, wodurch sich das Verhalten Freislers von dem der Geschädigten unterscheidet, und führt aus, dass das durch
die Geschädigten begangene Unrecht noch schwerwiegender sei als das von Freisler begangene Unrecht. Im Kern ist das „nur” der Vorwurf sehr großen Unrechts und willkürlichen, rechtsbeugenden richterlichen Handelns durch den 2. Strafsenat. Der Vorwurf ferner nicht gegen die Richter als Personen, sondern gegen den gesamten Senat als Entscheidungsträger gerichtet (vgl. UA S. 134/135; zur Bedeutung dieses Umstandes s. BVerfG, Beschluss vom 05.03.1992, 1 BvR 1770/91, zitiert nach juris, dort
Rdn. 25 und OLG Frankfurt vom 20.03.2012 aaO Rdn. 6).

Die Äußerungen des Angeklagten erfolgten im Rahmen eines noch nicht abgeschlossenen gerichtlichen Verfahrens, also im „Kampf ums Recht” (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Gesichtspunktes BVerfG, Beschlüsse vom 29.02.2012, zitiert nach juris, dort Rdn. 15f., und vom 28.07.2014 aaO, dort Rdn. 13, je m. w. N.). Sie erfolgten ausschließlich schriftlich im Rahmen des Verfahrens, ohne dass sie anderen, nicht am Verfahren beteiligten Personen zur Kenntnis gelangen konnten (vgl. hierzu BVerfG vom 29.02.2012 aaO Rdn. 15 und 17). Auch starke und eindringliche Ausdrücke im Rahmen der Kritik an behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen stehen grund-sätzlich unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG vom 29.02.2012 aaO Rd. 16 und vom 28.07.2014 aaO Rdn. 13, je m. w. N.; Urteil des KG vom 11.01.2010, 1 Ss 470/09, zitiert nach juris, Rdn. 35), ohne dass es darauf ankäme, ob der Angeklagte auch anders hätte formulieren können (BVerfG vom 29.02.2012 aaO Rdn. 16). Der durch die Gleichstellung mit Roland Freister erfolgte Vergleich mit NS-Unrecht führt für sich allein genommen ebenfalls nicht zu einer Strafbarkeit (vgl. die den Entscheidungen des BVerfG vom 05.03.1992 und des OLG Frankfurt vom 20.03.2012, je aaO, zugrundeliegenden Sachverhalte). Kein entscheidender Gesichtspunkt bei der Abwägung ist es ferner (entgegen der Ansicht des Landgerichts, vgl. UA S. 135), dass der Senat „keinerlei Anlass” für die Äußerungen gegeben hat. Zwar mag es für die Wahrung berechtigter Interessen sprechen, wenn das Handeln der Behörde oder des Gerichtes (sogar) rechtswidrig war. Im Übrigen aber ist es für ein Eingreifen von § 193 StGB nicht entscheidend, ob die mit der fraglichen Äußerung kritisierte Entscheidung der Behörden oder Gerichte rechtmäßig war (vgl. zu vergleichbaren Fällen BVerfG vom 05.03.1992 aaO Rdn. 27 und OLG Frankfurt vom 20.03.2012 aaO Rdn. 6f.).

Rechtsfehlerhaft war es schließlich, das Fehlen spontaner Erregung bei dem Angeklagten (vgl. UA S. 135) zu seinen Lasten in die Abwägung einzustellen (vgl. OLG Celle Urteil vom 27. März 2015 Az. 31 Ss 9/15 Zitiert über jurisß Rdn. 41); im Gegen-teil ist zu berücksichtigen, dass der Angeklagte nicht nur als Rechtsanwalt, sondern auch als mittelbar persönlich Betroffener handelte, da er u. a. seine Tochter im Ver-fahren vertrat (vgl. zur Bedeutung dieses Umstandes BayObLGSt 2001, 92ff.).

Es erscheint insgesamt hinnehmbar, den Ehrenschutz in Fällen wie dem vorliegenden im Rahmen der Abwägung zurücktreten zu lassen, weil Richter im Spannungsfeld zwischen der Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes einerseits und ihrer privaten Berührtheit andererseits bedenken müssen, dass ihre Entscheidungen für die Be-troffenen häufig einschneidend sind und daher zu Reaktionen führen können, die sich trotz gegenteiliger Formulierung letzten Endes gar nicht gegen ihre Person oder Ehre, sondern vielmehr gegen die getroffene Entscheidung selbst und die Rechtslage als solche richten (vgl. KG vom 11.01.2010 aaO Rdn. 41).

Da auszuschließen ist, dass eine erneute Hauptverhandlung weitere oder neue Feststellungen zu erbringen vermag, die eine Aufrechterhaltung der Verurteilung wegen Beleidigung begründen könnten, ist das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben und der Angeklagte freizusprechen (§ 353 Abs. 1, § 354 Abs. 1 StPO).

Der Senat bemerkt allerdings ausdrücklich, dass die Entscheidung nicht als Billigung der Äußerung und der Vorgehensweise des Angeklagten missverstanden werden darf. Die Auseinandersetzung mit tatsächlich oder vermeintlich falschen Entscheidungen oder Vorgehensweisen von Behörden hat grundsätzlich allein mit den Mitteln zu erfolgen, die die jeweiligen Verfahrensordnungen zur Verfügung stellen, ohne dass Anlass und Raum für verletzende und kränkende, die gebotene sachliche Atmosphäre lediglich vergiftenden Angriffe auf die handelnden Personen bliebe. Strafbar ist das Verhalten des Angeklagten nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Grundsätze allerdings noch nicht.

 

Amtsgericht Ahrensburg vom 15.07 2016 – 58 Ds 759 Js 32669/15 (25/16)

Vorwurf der Korruption gegenüber Bauamt nach monatelanger Auseinandersetzung über Baurechtswidrigkeit eines Nachbarzauns von Meinungs­äußerungs­freiheit gedeckt. Keine Strafbarkeit wegen Beleidigung Äußert ein Bürger nach monatelanger Auseinandersetzung über die Baurechtswidrigkeit eines Nachbarzauns gegenüber dem Bauamt, dass dieses korrupt sei, so ist dies von der Meinungs­äußerungs­freiheit gedeckt. Eine Strafbarkeit wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB besteht nicht. Dies hat das Amtsgericht Ahrensburg entschieden. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im April 2015 hatte eine Grundstückseigentümerin in einer E-Mail an das Bauamt Bad Oldesloe dieses als korrupt bezeichnet. Hintergrund der Äußerung war ein monatelanger Streit über die Baurechtswidrigkeit einer Holzbauwand auf dem Nachbargrundstück. Die Frau fühlte sich durch die Behörde und ihre Mitarbeiter benachteiligt. Ihrer Meinung nach seien ihre Interessen und Argumente nicht wahrgenommen worden. Aufgrund der dadurch bedingten größer werdenden persönlichen Verzweiflung verfasste die Frau die E-Mail. Wegen des erhobenen Vorwurfs der Korruption, wurde die Frau wegen Beleidigung angeklagt. Keine Strafbarkeit wegen Beleidigung aufgrund des Vorwurfs der Korruption Das Amtsgericht Ahrensburg sah in der Äußerung der Frau keine nach § 185 StGB strafbare Beleidigung und sprach sie daher frei. Der Vorwurf sei als negative Meinungsäußerung zu werten, da sie durch die Äußerung das Handeln des Bauamtes bewertet habe und damit erkennbar eine subjektive Beurteilung zum Ausdruck gebracht habe. Korruptionsvorwurf gedeckt von Recht auf freie Meinungsäußerung Der Korruptionsvorwurf sei nach Auffassung des Amtsgerichts vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Es habe sich nicht um eine unzulässige sogenannte Schmähkritik gehandelt, da die Diffamierung der Mitarbeiter des Bauamtes ersichtlich nicht im Vordergrund gestanden habe. Vielmehr sei es um die Auseinandersetzung mit deren Sachentscheidung gegangen. Die Äußerung stelle sich als Versuch dar, sich bei einer übergeordneten Stelle Gehör zu verschaffen und mit dem Anliegen doch noch durchzudringen. Dies sei einem Bürger, der sich im Streit mit einer Behörde befinde, zuzubilligen.

 

BVerfG vom 02.08.2016 –  1 BvR 2646/15

klassifiziert Beleidigungen neu: Von durchgeknallt bis dümmlich. Nun empfiehlt das Bundesverfassungsgericht strengere Maßstäbe für Schmähkritik. Auch heftige Kritik an einem Staatsanwalt kann deshalb nicht automatisch als Beleidigung betrachtet werden.

 

BVerfG vom 29.07.2016 – 1 BvR 2732/15

BVerfG sieht Meinungsfreiheit verletzt „Spanner“ keine Tatsachenbehauptung, es kann aber eine Beleidigung darstellen.

Ob der Schwerpunkt einer Aussage als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung anzusehen ist, müsse anhand des Gesamtzusammenhangs beurteilt werden. Eine isolierte Betrachtung eines Teils der Äußerung verbiete sich, da es darauf ankomme, den Sinn dieser Aussage zu ermitteln. Für Meinungen im engeren Sinne gelte im Rahmen der Abwägung regelmäßig eine Vermutung zugunsten der freien Rede, für Tatsachenbehauptungen dagegen nicht bzw. nicht in gleicher Weise, so die Richter. Die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit werde auch dadurch verkannt, dass eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, als Formalbeleidigung oder auch als Schmähkritik eingestuft werde und ihr somit der umfassende Schutz des Grundrechts entzogen werde. Ob der Post deshalb straflos, also im Ergebnis von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, ließ das BVerfG ausdrücklich offen. In der Bezeichnung des Beamten als Spanner liege jedenfalls eine Herabsetzung und damit eine Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Inwieweit diese durch die Meinungsfreiheit gerechtfertigt sei, müsse durch Abwägung entschieden werden. Dies sei aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, betonten die Richter, da es bei der üblen Nachrede ausschließlich um das Verbreiten von Tatsachenbehauptungen gehe. Das AG wird sich daher wohl mit dem Tatbestand der Beleidigung, § 185 StGB, zu befassen haben.  

 

BVerfG vom 29.06. 2016 – 1 BvR 2646/15

Folgende Äusserungen stellen nicht alle zwingend eine Formalbeleidigung dar. Für die Höhe einer Strafe ist auch der Kontext zu berücksichtigen:

„dahergelaufene Staatsanwältin“, „durchgeknallte Staatsanwältin“, „widerwärtige, boshafte, dümmliche Staatsanwältin“, „geisteskranke Staatsanwältin“, „Durchgeknallter Staatsanwalt“

 

Amtsgericht Augsburg vom 16.12.2015 – 19 CS 400 JS 120055/15

Rechtsbeugungsvorwurf gegenüber einem Richter, stellt nicht zwingend eine Beleidigung dar.

Ein Münchner Rechtsanwalt ist vom Amtsgericht (AG) Augsburg vom Vorwurf freigesprochen worden, in einem Schreiben eine Richterin beleidigt zu haben. Der Anwalt hatte über die Augsburger Richterin geschrieben, dass sie “entweder heillos überlastet oder maßlos arrogant” sei. Zudem hatte er sich über “postpubertäre” Rachegelüste und Sturheit der 32-jährigen Richterin beschwert. Eine Kollegin der betroffenen Richterin, die am Mittwoch über die Anklage gegen den Anwalt wegen des Vorwurfs der Beleidigung zu entscheiden hatte, bezeichnete die Äußerungen als  Nachvollziehbar. Es müsse der Zusammenhang betrachtet werden, betonte sie, und sprach den 59-Jährigen frei. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe von 5.000 Euro, 50 Tagessätze zu 100 Euro, verlangt. Zunächst hatte sie einen Strafbefehl beantragt, gegen den der Jurist Einspruch* eingelegt hatte.

 

BVerfG vom 28.09.2015 – 1 BvR 3217/14

Bezeichnet der Beschuldigte in einem Strafbefehlsverfahren die Anzeigenerstatterin als „Psychopathin“, nachdem sie gegen ihn – aus seiner Sicht haltlose – Vorwürfe erhoben hat, so geht es ihm ersichtlich in erster Linie um die Verteidigung gegen die Anschuldigungen und nicht allein um eine Diffamierung der Anzeigenden.

 

Amtsgericht Neu-Ulm vom 11.07.2015 – 5 CS 116 JS 5440/15

Das AG Neu-Ulm sprach einen Mann frei, der sich von zwei Polizisten während einer Verkehrskontrolle schikaniert fühlte. Als es ihm zu viel wurde, hatte er die beiden Beamten gefragt: “Wollen Sie mich ficken?” “Du Mädchen!” kostet 200 Euro, “Wollen Sie mich ficken?” nichts. Das F-Wort habe in der heutigen Zeit keinen rein sexuellen Bezug mehr und müsse daher immer im Kontext einer Aussage oder Frage gedeutet werden. Das entschied das Amtsgericht (AG) Neu-Ulm, als es kürzlich über einen 71-Jährigen urteilte.

 

OLG Celle vom 27.03.2015 – 31 Ss 9/15

Bezeichnung eines Richters als „Lügner“ und „Krimineller“ stellt nicht zwingend eine Beleidigung dar? In einem Sozialrechtsstreit schreibt der Kläger an den Präsidenten des Landessozialgericht – bezogen auf einen Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht – u.a. “11) Da sie sich erlauben mitzuteilen, dass weitere Eingaben zur Wahrung meiner Rechte von einem Dr. R. nicht mehr beschieden werden, um Kriminelle und Lügner wie der Dr. P. widerrechtlich zu schützen, muß ich hiermit meinen persönlichen Besuch zur Klärung bekannt geben.” Daraus wird ein Strafverfahren wegen Beleidigung, in dem der Kläger – nunmehr der Angeklagte – vom Vorwurf der Beleidigung (§ 185 StGB) frei gesprochen wird. Die StA geht in die Revision, die vom OLG Celle im OLG Celle, Urt. v. 27.03.2015 – 31 Ss 9/15 – verworfen wird. Es bleibt also beim Freispruch.

Für das Gericht stellte die Bezeichnung des Richters als Lügner und Kriminellen im Rahmen einer Dienstaufsichtsbeschwerde keine strafbare Beleidigung dar, da sich die Äußerung als Schlussfolgerung sachlich vorgetragener Umstände darstellte und aus Sicht des Handelnden im „Kampf ums Recht“ seinem Anliegen in der Sache diente. In diesem Fall hat bei einer vorzunehmenden Gesamtabwägung der Ehrenschutz des betroffenen Richters hinter der Meinungsfreiheit des Rechtsuchenden zurückzutreten.  

 

OLG Karlsruhe vom 15.01.2015 – 6 U 156/14

Bezeichnung eines Gegners im politischen Meinungskampf als Betrüger, Rechtsbrecher, Lügner, Halunke oder Gauner zulässig.

Den Begriff der „Schmähkritik“ hat der Bundesgerichtshof soweit ersichtlich erstmals in der sogenannten Höllenfeuer-Entscheidung verwendet (BGH NJW 1066, 1617, 1619), ohne selbigen dort zu erläutern. Anerkannt ist es nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass eine Schmähkritik nicht schon in einer überzogenen, ungerechtfertigten oder gar ausfälligen Kritik liegt. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen soll. Damit setzt die Rechtsprechung die Grenzen der Schmähkritik sehr hoch an. Gerade aufgrund der die Meinungsfreiheit verdrängenden Wirkung der Schmähkritik ist diese eng auszulegen. Denn wird eine Äußerung als Schmähkritik klassifiziert, ist ohne jegliche Abwägung der widerstreitenden Interessen des Persönlichkeitsrechts und der Meinungsfreiheit, die jeweilige Äußerung unzulässig. Gerade deshalb wird bei Äußerungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage die Schmähkritik nur ausnahmsweise vorliegen und im Übrigen eher auf die sogenannte Privatfehde beschränkt sein. So hat es das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach in der Vergangenheit entscheiden (BVerfG NJW 1993, 1845, 1846; BVerfG 1995, 3303; BVerfG NJW 1999, 204). Genauso sahen es im vorliegenden Fall auch die Karlsruher Richter und betonten dies in ihrem Urteil. Auch von dem wesentlichen Merkmal einer Schmähung, eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung, könne keine Rede sein, so die Richter weiter. „Der Unterschied zwischen Ihnen und Roland Freisler liegt in Folgendem: Während Roland Freisler im Gerichtssaal schrie und tobte und überhaupt keinen Wert darauf legte, das von ihm begangene Unrecht in irgendeiner Weise zu verschleiern, gehen Sie den umgekehrten Weg: Sie haben sich ein Mäntelchen umgehängt, auf dem die Worte „Rechtsstaat“ und „Legitimität“ aufgenäht sind. Sie hüllen sich in einen Anschein von Pseudolegitimität, die Sie aber in Wahrheit in keiner Weise für sich beanspruchen können. Denn in Wahrheit begehen Sie – zumindest in diesem vorliegenden Justizskandal – genauso schlicht Unrecht, wie es auch Roland Freisler getan hat. So betrachtet ist das Unrecht, das Sie begehen noch viel perfider, noch viel abgründiger, noch viel hinterhältiger als das Unrecht, das ein Roland Freisler begangen hat: Bei Roland Freisler kommt das Unrecht sehr offen, sehr direkt, sehr unverblümt daher. Bei Ihnen hingegen kommt das Unrecht als unrechtmäßige Beanspruchung der Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie daher: Sie berufen sich auf die Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, handeln dem aber – zumindest in dem vorliegenden Justizskandal – zuwider.“

 

OLG München vom 06.11.2014 – 5 OLG 13 Ss 535/14

„You’re complete crazy“ ist keine Beleidigung.

„Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hatte der Angeklagte in einer Bar mindestens 6 Whiskys getrunken, was zu einem Atemalkoholwert von 2,3 Promille führte. Er geriet mit dem Wirt der Bar über die Höhe der Rechnung in Streit. Ein anderer Gast hatte zahlreiche Getränke auf die Rechnung des Angeklagten setzen lassen, was den Angaben des Angeklagten nach nicht mit ihm vereinbart war. Der herbeigerufenen Polizei nannte der Angeklagte eine Adresse in Berlin und händigte seinen Reisepass aus, aus dem sich jedoch lediglich Berlin als Wohnsitz ergab. Die Überprüfung der Personalien nahm einige Zeit in Anspruch. Da sich der Angeklagte erst kurz zuvor umgemeldet hatte, konnte zuerst nicht die Richtigkeit der Angaben des Angeklagten festgestellt werden. Während der gesamten Personalienfeststellung war der Angeklagte uneinsichtig und verhältnismäßig laut. Zur Geschädigten Polizeibeamtin pp. sagte der Angeklagte: „You’re complete crazy“, um so seine Missachtung auszudrücken.“

 

AnwG Köln, Beschluss vom 06.11.2014 – 10 EV 255/11

Entspricht die Verwendung des Begriffes “Schweinesystem” für die Bezeichnung der Richterschaft eines Verwaltungsgerichtes dem Sachlichkeitsgebot eines Anwaltes?

In einem Prozeß vor dem Verwaltungsgericht hatte ein Anwalt die Richterschaft des Gerichtes als “Schweinesystem” bezeichnet.

Hierbei hatte er allerdings in seinem Schriftsatz den Begriff Schweinesystem in Anführungszeichen gesetzt. Das Anwaltsgericht Köln meint, da der Anwalt den Begriff Schweinesystem in Anführungszeichen gesetzt hat, übt zwar der Anwalt Kritik an der Richterschaft aus, bringt jedoch gleichzeitig zum Ausdruck, dass es sich hier nur um einen Vergleich als sprachliches Mittel handelt und verstößt damit nicht gegen das Sachlichkeitsgebot.

 

OLG Hamm, vom 14.08.2014 – 2 RVs 29/14

Der Angeklagte schreibt als Reaktion auf einen vorherigen Fernsehbericht des WDR über die Abschiebehaft eines serbischen Ehepaares, in dem über „angebliche Missstände bei der Abschiebepraxis“ berichtet worden war, eine E-Mail mit folgendem Inhalt an die zuständige Behörde, das Ausländeramt des Kreises G: „Sehr geehrte Damen und Herren, nach dem Erleben des heutigen WDR-Beitrages muss ich sachlich feststellen, daß Ihre Amtsvorgänger die Reichsrassengesetze gegen die Juden rechtssicherer angewandt haben. Man sollte doch erwarten, daß die rechtssicheren Handlungen, die jedem damaligen Judenschänder seinen Beamtenstatus erhielten, auch noch von Ihnen beherrscht werden. Aber zu Ihrer Beruhigung: Ehe dem deutschen Beamten ein Rechtsbruch nachgewiesen würde, drehte sich die Erde rückwärts. Weiter so bis zum Ruhestand. Und Kopf hoch, selbst Roland Freislers Witwe wurde im Nachhinein die Altersversorgung aufgebessert.“

 

BVerfG vom 28.7.2014 – 1 BvR 482/13

Partei darf Richter beim “Kampf ums Recht” auch mal beleidigen wie “…er protestiere „gegen das schäbige, rechtswidrige und eines Richters unwürdige Verhalten der Richterin“ und meine, „sie müsse effizient bestraft werden, um zu verhindern, dass diese Richterin nicht auf eine schiefe Bahn gerät“. Partei darf Richter beim “Kampf ums Recht” auch mal beleidigen. Richter galten bislang als unabhängig und wurden mehr oder weniger vor Kritik oder gar deftigen Beleidigungen geschützt. Doch dieses letzte Tabu hat jüngst das Bundesverfassungsgericht gekippt. Begründung: Ob Richter oder wer auch immer – überspitzte Kritik fällt grundsätzlich in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB.

1. Der Beschwerdeführer führte vor dem Amtsgericht einen Schadensersatzprozess gegen seinen ehemaligen Prozessbevollmächtigten, da dieser eine Berufung in einem weiteren Verfahren beim falschen Gericht eingelegt haben soll. Das Amtsgericht wies diese Schadensersatzklage ab. Nachdem die Berufung des Beschwerdeführers zurückgewiesen worden war, erhob der Beschwerdeführer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständige Richterin des Amtsgerichts. Das diesbezügliche Schreiben an den Präsidenten des Landgerichts, das der Beschwerdeführer auch an die betroffene Richterin, den Justizminister und die Gegenseite übersandte, enthielt folgende Äußerungen: Infolge der Hauptverhandlung am 27.10.2008 wurde von der Richterin … ein skandalöses Fehlurteil gefällt. Wenn schon bekannt, dass in Deutschland der Richter beliebig urteilen kann (…) Bis hierhin kann man das Urteil als absichtlich oder unabsichtlich schlampig und arglistig ansehen. Den Kern der richterlichen Tätigkeit verlassend protestiere ich folgend gegen das schäbige, rechtswidrige und eines Richters unwürdige Verhalten der Richterin … und meine, sie müsse effizient bestraft werden um zu verhindern, dass diese Richterin nicht auf eine schiefe Bahn gerät. (…)

Perplex hatte ich an diesem Punkt verstanden, dass der Aufklärungstermin lediglich eine Farce und Finte sein konnte. Sie begab sich an ihren Platz und fabulierte durcheinander (…)

Ihre Idee, die Berufung sei wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg zurückgenommen worden, findet sich erstaunlicherweise wieder in dem entstellten Sachverhalt, wo die Richterin … behauptet: „der Kläger begehre Schadensersatz wegen anwaltlicher Fehlberatung“, „er habe ihn beauftragt, die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels zu prüfen“. Solche Erfindung in ein Urteil einzubauen, ist illegal. Ich hatte Auftrag erteilt, in jedem Fall Berufung (…) einzulegen.

Die Richterin … hat nicht einmal auf die „Differenz zwischen dem Klageantrag und der Klagebegründung“, wie im Urteil behauptet, hingewiesen; durch einen solchen Hinweis wäre ich vermutlich alarmiert worden (…). „Gleichwohl vermochte der Kläger diesen Widerspruch nicht aufzuklären“ ist nicht nur gelogen, sondern im Hinblick darauf, dass diese perfide Lüge benutzt wird, mich den Prozess verlieren zu lassen, niederträchtig und gegen das Recht. (…) …Das Urteil des Landgerichts, dem sich das Oberlandesgericht anschließt, nimmt in verfassungsrechtlich nicht mehr tragbarer Art und Weise an, dass es sich bei den für strafbar erachteten Äußerungen um Schmähkritik handele. Hierbei verkennt das Landgericht die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik. Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts hat das Bundesverfassungsgericht den in der Fachgerichtsbarkeit entwickelten Begriff der Schmähkritik eng definiert. Danach macht auch eine überzogene oder ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen. Wesentliches Merkmal der Schmähung ist mithin eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung. Nur dann kann im Sinne einer Regelvermutung ausnahmsweise auf eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verzichtet werden. Aus diesem Grund wird Schmähkritik bei Äußerungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vorliegen und im Übrigen eher auf die sogenannte Privatfehde beschränkt bleiben (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 93, 266 <294, 303>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 – 1 BvR 2272/04 -, NJW 2009, S. 3016 <3018>). Dem genügt die Entscheidung des Landgerichts nicht. Auch bezüglich der Äußerung, es müsse verhindert werden, dass die Richterin auf eine schiefe Bahn gerate, steht die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund. Der Beschwerdeführer bezieht sich auf das von ihm in der Dienstaufsichtsbeschwerde kritisierte Verhalten und bezweckt eine Überprüfung dieses Verhaltens durch eine übergeordnete Stelle. Es handelt sich zwar um polemische und überspitzte Kritik; diese hat aber eine sachliche Auseinandersetzung zur Grundlage. Bezüglich der weiteren Äußerungen begründet das Landgericht seine Einordnung als Schmähkritik überhaupt nicht. Soweit das Landgericht hilfsweise dennoch eine Abwägung vornimmt, verstößt es hierbei zunächst insofern gegen die Meinungsfreiheit, die Äußerung des Beschwerdeführers, „es müsse verhindert werden, dass die Richterin auf eine schiefe Bahn gerate“, dahingehend auszulegen, dass hiermit der betroffenen Richterin die künftige Begehung von Straftaten unterstellt werde. Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Äußerungen ist, dass ihr Sinn zutreffend erfasst worden ist (vgl. BVerfGE 93, 266 <295>). Ein Verstoß gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit liegt vor, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde legt, ohne vorher die anderen möglichen Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen zu haben (vgl. BVerfGE 82, 43 <52>; 93, 266 <295 f.>). Die Beachtung dieser Anforderungen unterliegt der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 93, 266 <296>). Warum die Äußerung des Beschwerdeführers hier vernünftigerweise nur so gemeint sein könne, dass die Richterin sonst Straftaten begehen würde, ist aus der Entscheidung des Landgerichts nicht erkennbar. Mit weiteren möglichen Deutungen hat es sich nicht auseinandergesetzt.

Auch im Übrigen genügt die Abwägung nicht den verfassungsrechtlichen Maßstäben (vgl. hierzu BVerfGE 7, 198 <212>; 93, 266 <293>; stRspr). Das Landgericht stellt einseitig auf den Ehrschutz ab, ohne die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers ausreichend zu würdigen.

 

BVerfG vom 28.7.2014 – 2 BvE 4/13 und Artikel

Grundsatzurteil in Karlsruhe: Bundespräsident Gauck darf NPD-Anhänger “Spinner” nennen.

 

Göttinger Tageblatt vom 25.07.2014 – Artikel

Die Bezeichnung eines Rechtsanwalts als “juristischer Geisterfahrer” und “Don Quichotte” stellt nicht zwingend eine Beleidigung dar: Seit 25 Jahren in großen und auch in kleinen Prozessen, Göttinger Gerichtsreporter sind eine aussterbende Spezies.

 

OLG Naumburg vom 17.06.2014 – 2 Rv 88/14

Der – vorgeblichen – Beleidigung eines Richters kommt keine höhere Bedeutung zu als der eines beliebigen anderen Mitbürgers.

 

BVerfG vom 24.07.2013 –  1 BvR 444/13 und 1 BvR 527/13

“Systemimmanenter Rassismus” gegenüber Behördenmitarbeiter ist nicht zwingend eine Beleidigung  …Nur ausnahmsweise kann im Sinne einer Regelvermutung auf eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verzichtet werden. Bei Äußerungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage wird dies nur selten vorliegen und eher auf die sogenannte Privatfehde beschränkt bleiben Maßnahmen der öffentlichen Gewalt dürfen auch scharf kritisiert werden Das Bundesverfassungsgericht hat die strafrechtliche Verurteilung von Mitarbeitern einer Flüchtlingsorganisation wegen Kritik an einer Ausländerbehörde wegen Verstoß gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aufgehoben. Das BVerfG betont, dass die Strafgerichte bei der Beurteilung von Kritik an öffentlichen Stellen berücksichtigen müssen, dass das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, zum Kernbereich der Meinungsfreiheit gehört. Dieser Aspekt ist bei der gebotenen Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht deshalb besonders hoch zu veranschlagen. Das BVerfG rügt zunächst, dass bereits die Annahme einer Tatsachenbehauptung fehlerhaft ist. Eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung ist nach Ansicht des BVerfG nur zulässig, wenn dadurch ihr Sinn nicht verfälscht wird. Wo dies nicht möglich ist, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen werden, weil andernfalls eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtsschutzes droht. Das BVerfG betont außerdem, dass der Begriff der Schmähkritik eng definiert ist. Insbesondere bei Äußerungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage kann eine Schmähung nur selten angenommen werden.

 

BVerfG vom 02.07.2013 – 1 BvR 1751/12

BVerfG zur Meinungsfreiheit, “Winkeladvokat” nicht unbedingt beleidigend Das BVerfG hat in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss entschieden, dass die Bezeichnung einer Kanzlei als “Winkeladvokatur” nicht in jedem Fall als beleidigende Schmähkritik einzuordnen ist. Je nach den Umständen könne es sich auch um eine von der Meinungsfreiheit gedeckte Äußerung handeln.

 

AG Heidelberg Urteil vom 2012 Aktenzeichen: 27 C 234/12

2.500 Euro Schmerzensgeld für Beleidigung auf Facebook

 

AG Ellwangen Urteil vom 21.12.2012, – 5 C 359/12

Anspruch auf Geldentschädigung bei Beleidigungen auf Facebook Das Amtsgericht hat im konkreten Fall dem Betroffenen ein Anspruch auf Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 GG, §§ 185 ff StGB zugesprochen.

 

OLG Dresden, Beschluss vom 26.09.2012 – 4 W 1036/12 – § 823 BGB, – § 1004 BGB:

Das OLG Dresden hat entschieden, dass die in einem Presseartikel enthaltenen Äußerungen, der Antragsteller sei ein „umstrittener Rechtsanwalt” bzw. er gelte in der Reisebranche „als „umstritten” als zulässige Meinungsäußerung zu werten sind und keinen Unterlassungsanspruch rechtfertigen.

 

BVerfG vom 17.09.2012 – Az. 1 BvR 2979/10

Bezeichnung einer Person in einem Internetforum als „rechtsradikal“ Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellt die Betitelung einer Person in einem Internetforum als „rechtsradikal“ ein Werturteil dar und ist grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt, sofern die Äußerung nicht als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik einzustufen ist. In dem entschiedenen Fall bezog sich die beanstandete Bezeichnung auf einen antisemitischen Artikel. Hierzu stellten die Verfassungsrichter klar, dass prinzipiell durch eine gerichtliche Beweiserhebung nicht festzustellen ist, wann ein Beitrag „rechtsextrem“ ist, wann sich ein Denken vom „klassisch rechtsradikalen verschwörungstheoretischen Weltbild“ unterscheidet und wann man „es sich gefallen lassen muss, rechtsradikal genannt zu werden“.

 

OLG Celle, Urteil vom 19.4.2012 – 13 U 235/11

„Verlogen und durchtrieben“ ist nicht immer ehrabschneidend „Nach ständiger Rechtsprechung des BGH können ehrenkränkende Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen konkreter Vorbereitung dienen, in aller Regel nicht mit Ehrenschutzklagen abgewehrt werden. Das sogenannte Ausgangsverfahren soll nämlich nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden“, erläuterte das OLG Celle. Es sollten die Parteien in einem Gerichtsverfahren sowie in außergerichtlichen Schreiben, die deren konkreter Vorbereitung dienen, alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, „auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird“. Deshalb fehle in derartigen Fällen für eine Ehrenschutzklage grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis. Die beanstandeten Äußerungen des Beklagten stellen nach Ansicht des Gerichts keine im Rahmen eines vorgerichtlichen Schriftverkehrs unzulässige Schmähung dar. „Eine Äußerung nimmt den Charakter einer Schmähung erst dann an, wenn in nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person des Gegners im Vordergrund steht und sie jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person des Gegners besteht; eine für den Betroffenen herabsetzende Wirkung reicht nicht aus“, so die Celler Richter.

 

OLG Frankfurt vom 20.03.2012 – 2 Ss 329/11

„Vergleich eines Polizeiverhaltens mit SS-Methoden hält sich noch im Rahmen der Meinungsfreiheit.“ – noch von der Meinungsfreiheit gedeckt Leitsatz: Der Angeklagte wurde durch Beamte der Bundespolizei im Regionalexpress auf der Strecke zwischen A und B angesprochen und darum gebeten, sich auszuweisen. Dem lag zugrunde, dass aus Anlass von Anschlagsdrohungen islamistischer Kreise verstärktes Augenmerk auf Personen mit anderer Hautfarbe gerichtet wurde. Der Angeklagte reagierte aggressiv und verweigerte sich auszuweisen. Nachdem die Beamten ihm zu seinem Sitzplatz gefolgt waren und einer der Beamten nach seinem Rucksack griff, erklärte der Angeklagte, dass ihn das an etwas erinnere. Auf Nachfrage desBeamten, woran ihn das erinnere, erklärte der Angeklagte, das erinnere ihn an Methoden der SS, es erinnere ihn an die SS. Auf Nachfrage des Beamten, ob der Angeklagte ihn beleidigen wolle, verneinte dieser. Der Beamte forderte ihn nun mit den Worten auf: „dann sagen Sie doch, dass ich ein Nazi bin“, woraufhin der Angeklagte entgegnete: „Nein, das sage ich nicht“.

1. Bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen des Ehrschutzes einerseits und des Grundrechts der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG kommt der Meinungsfreiheit Vorrang zu.

2. Nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts geht in Fällen, in denen sich die Äußerung als Kundgabe einer durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinung darstellt, die Meinungsfreiheit grundsätzlich dem Persönlichkeitsschutz vor, und zwar auch dann, wenn starke, eindringliche und sinnfällige Schlagworte benutzt werden oder scharfe, polemisch formulierte und übersteigerte Äußerungen vorliegen, auch wenn die Kritik anders hätte ausfallen können.

3. Der Vergleich eines Polizeiverhaltens mit SS-Methoden hält sich noch im Rahmen der Meinungsfreiheit.

 

BVerfG vom 29.Februar 2012 – 1 BvR 2883/11

Folgende Aussage bezüglich eines Polizeibeamten stellt keine Beleidigung dar:

“Ehrliche Meinung meinerseits: Der Beamte war wohl den Tag über zu lange unten am A. Verkehrskreisel in der Sonne gestanden oder hat ganz einfach dort mitgefeiert. Normal war das jedenfalls nicht und menschlich schon 3 mal nicht!”

Die Gerichte verkennen, dass es sich bei den für strafbar erachteten Äußerungen nicht etwa um nicht erweislich wahre, ehrverletzende Tatsachenbehauptungen im Sinne des § 186 StGB, sondern vielmehr um durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägte Werturteile und damit um Meinungen im engeren Sinne handelt.

Dies erschließt sich bereits aus dem einleitenden Halbsatz “Ehrliche Meinung meinerseits:”. Aber auch die für strafbar erachtete Kernaussage ist ihrem Schwerpunkt nach eine solche, die zum Verhalten des betroffenen Polizeibeamten wertend Stellung nimmt, und nicht etwa – wie sich auch aus der Benutzung des Adverbs “wohl” ergibt – ein tatsächliches Geschehen, dass der Betroffene zu lange in der Sonne gestanden habe und mitgefeiert habe, zum Beweis anbietet.

Die für strafwürdig erachteten Äußerungen stehen – anders als von den Gerichten angenommen – inhaltlich durchaus noch im Zusammenhang mit seinem Begehren, eine Einstellung des gegen ihn eingeleiteten Bußgeldverfahrens zu bewirken. Der Beschwerdeführer stellt in dem fraglichen Schreiben ausführlich dar, dass er die Vorgehensweise des betroffenen Polizeibeamten für unangemessen und überzogen erachtet hat. Die für strafwürdig erachteten Äußerungen spitzen diese Darstellungen einerseits zu und schließen sie andererseits ab.

Somit habe sich der Man im Rahmen des “Kampfs ums Recht” geäußert. In diesem Bereich dürfe nicht alles auf die Waagschale gelegt werden; auch starke Worte seien erlaubt.

 

LG Köln vom 15.11.2011 – Az. 5 O 344/10

„Winkeladvokat“ beleidigend Wer einen Rechtsanwalt im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens als „Winkeladvokat“ bezeichnet, kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden und riskiert zudem eine Strafanzeige wegen Beleidigung. Das Landgericht Köln wertete diese Bezeichnung wie zum Beispiel den Ausdruck „Quacksalber“ als Beleidigung und Herabsetzung, die ein Jurist nicht hinnehmen muss. Mit dem Begriff „Winkeladvokat“ werden nicht nur mangelnde

 

LG Berlin-Tiergarten 263b Ds) 224 Js 3745/11 (228/11)

»Eine kinderfickende Sekte« darf die katholische Kirche genannt werden. Die Bezeichnung »kinderfickende Sekte« sei nicht geeignet, den »öffentlichen Frieden« zu stören.

 

OLG Naumburg vom 10.11.2011 – 2 Ss 156/11

Die Bezeichnung eines Arztes als ehemaliger MfS -Mitarbeiter ist eine Tatsachenerklärung, dessen Wahrheitsgehalt geprüft werden muss. Keine Beleidigung durch Bezichtigung der Stasi-Mitgliedschaft oder durch die Bezeichnung eines Staatsanwalts als “Rechtsbrecher” Der Arzt Dr. X. hatte den Angeklagten in einem Hauptverhandlungstermin als verhandlungsfähig betrachtet. Am 16. Juli 2008 schrieb der Angeklagte an das Amtsgericht Magdeburg:

 „In der JVA MD wurde die MSF-Tätigkeit von Dr. X. als Strafvollzugsarzt bekannt und ich habe Anspruch auf ärztliche Fürsorge, auch vom Gericht, aber die wurde verweigert. Die Körperverletzung ist eindeutig nachgewiesen und ich lehne diesen befangenen Arzt erneut ab,…”.

Mit „MSF-Tätigkeit” war – entgegen der Einlassung des Angeklagten – (ersichtlich) „MfS- Tätigkeit”, also eine Arbeit des Dr. X. im Ministerium für Staatssicherheit der DDR gemeint. Mit der Äußerung wollte der Angeklagte dem Arzt bewusst seine Missachtung zum Ausdruck bringen. Er war verärgert, weil ihn der Arzt nicht als verhandlungsunfähig eingeschätzt hatte. Es kam dem Angeklagten darauf an, den Betroffenen zu schmähen.

b) Durch die eines tatsächlichen Hintergrundes entbehrende Bezeichnung als Mitarbeiter des MfS und die Bezichtigung einer Körperverletzung, so das Landgericht weiter, habe der An- geklagte den Geschädigten schmähen wollen, weshalb er für sich keine Wahrnehmung berechtigter Interessen in Anspruch nehmen könne und wegen Beleidigung zu verurteilen sei. Das ist nicht frei von Rechtsfehlern.

c) Die zutreffende strafrechtliche Einordnung einer vorgeworfenen Äußerung setzt bei Beleidigungsdelikten deren inhaltlich Erfassung und die Ermittlung ihres Gehalts durch den Tatrichter im Wege der Auslegung voraus (BVerfG NJW 1995, 3303, 3305; 1996, 1529, 1530; vgl. auch BayObLG NJW 2005, 1291 m.w.N.). Bereits hieran fehlt es dem angefochtenen Urteil, was der revisionsrechtlichen Nachprüfung durch den Senat unterliegt (BGH NJVV 2009, 1872, 1873; OLG Köln NStZ 1981, 183, 184; OLG Hamm, Beschluss vom 6. Februar 2007, 2 Ss 589/06 – BeckRS 2007, 14959 m.w.N.).

Bei der Arbeit für den Staatssicherheitsdienst der DDR und dem Körperverletzungsvorwurf handelt es sich um dem Beweis zugängliche Tatsachen (vgl. OLG Hamburg DtZ 1992, 223), die geeignet sind, den Betroffenen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen (BGH DtZ 1994, 343, 344). Die Kundgabe von Tatsachen über eine Person gegenüber einem Dritten wird nicht von § 185 StGB, sondern von den speziellen Vorschriften der §§ 186, 187 StGB erfasst (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 185 Rdn. 5). Diese wiederum verlangen für die Strafbarkeit die Unwahrheit bzw. Nichterweislichkeit der Tatsachenbehauptung, wozu das Landgericht keine Feststellungen trifft (vgl. zur Aufklärungspflicht des Tatrichters und zum Wahrheitsbeweis Fischer, § 186 Rdn. 11; § 187 Rdn. 2). Die Kammer durfte sich nicht darauf beschränken festzustellen, für eine MfS-Tätigkeit des Arztes gäbe es keinen tatsächlichen Hintergrund. Der gesetzliche Tatbestand stellt auf die Wahrheit oder Unwahrheit der Tatsache ab. Die Äußerung ohne tatsächlichen Hintergrund ist nicht per se „unzutreffend”.

Von den Feststellungen zur Wahrheit der Äußerung konnte das Landgericht nicht deshalb absehen, weil es davon ausging, der Angeklagte habe den Arzt Dr. X. schmähen wollen. Zunächst ist das Vorliegen einer Schmähkritik im Sinne von §§ 192, 193 StGB dem (objektiven) Erklärungsinhalt zu entnehmen und nicht aus Absichten des Erklärenden herzuleiten. Außerdem kann der Tatrichter die Wahrheit der kundgegebenen Tatsachen nicht offen lassen und sogleich wegen der (Formal-)Beleidigung verurteilen (BGH NJVV 1978, 834, 835; Regge, in: MünchKomm.-StGB, § 192 Rdn. 15; Fischer, § 186 Rdn. 12).

Der Rechtsfehler des Landgerichts führt zur Aufhebung und Zurückverweisung. Das Landgericht muss prüfen, ob der Angeklagte unwahre Tatsachen behauptet hat. Hierbei wird es zu berücksichtigen haben, dass der Angeklagte nach den bisherigen Feststellungen nicht erklärt hat, Dr. X. habe für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet, sondern es sei in der JVA Magdeburg „bekannt geworden”, dass Herr X. als Strafvollzugsarzt für das MfS tätig geworden sei.

 

AG Hamburg vom 10.03.2009 – Az: 256 Cs 190/08

„Ich hau dir auf die Fresse“ keine Beleidigung – Auf wenig Verständnis bei staatlichen Ordnungshütern dürfte eine Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg treffen. Der Strafrichter sah in der Äußerung eines Besuchers der Untersuchungshaftanstalt gegenüber einem Justizvollzugsbeamten „Ich hau dir auf die Fresse“ weder eine strafbare Bedrohung noch eine Beleidigung. Weder der Ausdruck „Fresse“ noch das „Duzen“ wertete das Gericht als Verletzung des Ehrgefühls des Beamten. Vielmehr handelte es sich um eine bloße Unhöflichkeit und Aufmüpfigkeit gegenüber einer hoheitlichen Maßnahme eines Staatsbediensteten. Dies ist nicht strafbar. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

 

LG Krefeld vom 01.07.2010, Az.: 5 O 144/09

Rechtmäßigkeit der Bezeichnungen “Betrüger” und “Krimineller”

 

BVerfG vom 12.05.2009 – 1 BvR 2272/04

Äußerung “Durchgeknallter Staatsanwalt” stellt nicht zwingend eine Beleidigung dar.

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die von einem Journalisten in einer Fernsehdiskussion über ein Strafverfahren getätigte Äußerung „durchgeknallter Staatsanwalt“ nicht zwingend eine Beleidigung darstellt. Selbst eine für sich genommen herabsetzende Äußerung wird erst dann zu einer von der Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckten Schmähkritik, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Auch wenn der Bezeichnung „durchgeknallt“ ehrverletzender Gehalt zukommt, muss bei Beurteilung einer schmähenden Wirkung der Zusammenhang berücksichtigt werden, in dem die Äußerung fällt. Der Zusammenhang der Äußerung mit der Kritik an der Informationspolitik der zuständigen Staatsanwaltschaft sprach hier gegen die Annahme, dass der Journalist dem betroffenen Staatsanwalt pauschal die geistige Gesundheit habe absprechen und ihn damit ungeachtet seines Sachanliegens habe diffamieren wollen. Im Ergebnis war die Äußerung noch von der Meinungsfreiheit gedeckt und stellte keine Beleidigung dar.

 

Amtsgericht Ehingen vom 24. Juni 2009 – 2 Cs 36 Js 7167/09

“Leck mich am Arsch” stellt nicht zwingend eine Beleidigung dar. Knigge-Tipps vom schwäbischen Amtsrichter, AG Ehingen/Donau NStZ-RR 2010, 143 – Adventskalender (22) “Der Angeschuldigte betreibt in Ehingen ein Taxi-Unternehmen. Am 28.01.2009 um 13:10 Uhr bestellte … telefonisch von ihrer Wohnanschrift D. … in Ehingen aus ein Taxi auf 13:30 Uhr. Sie wollte am E. Bahnhof um 13:45 Uhr einen Zug nach Blaustein erreichen. Das Taxi traf verspätet ein. … erreichte ihren Zug nicht. Sie forderte daraufhin den Taxi-Fahrer auf, sie für den Preis der Stadtfahrt nach B. zu fahren. Der Fahrer erklärte, dies müsse der Chef entscheiden.

Daraufhin telefonierte … mit dem Angeschuldigten und verlangte, ohne Aufpreis nach Blaustein gefahren zu werden. Der Angeschuldigte soll darauf geantwortet haben: „Leck mich am Arsch“. Es gibt Gerichte, die in der Aussage „Leck mich am Arsch“ eine strafbare Beleidigung gesehen haben, so beispielsweise das Amtsgericht Berlin-Tiergarten (Berliner Zeitung, 14.09.1995) und das Amtsgericht Weiden. Es handelt sich zwar um einen derben Ausspruch. Eine Herabwertung der Ehre des Gesprächspartners ist damit aber noch nicht verbunden. Thaddäus Troll (Preisend mit viel schönen Reden, S. 214, Hamburg 1972) legt dar, dass das Götz-Zitat im Schwäbischen den folgenden sozialadäquaten Zwecken dient:

1. ein Gespräch anzuknüpfen,

2. eine ins Stocken geratene Unterhaltung wieder in Fluss zu bringen,

3. einem Gespräch eine andere Wendung zu geben,

4. ein Gespräch endgültig abzubrechen,

5. eine Überraschung zu vermelden,

6. um der Freunde über ein unvermutetes Wiedersehen zweier Schwaben außerhalb des Ländles Ausdruck zu geben,

7. um eine als Zumutung empfundene Bitte zurückzuweisen. Das Gericht schließt sich der Rechtsauffassung von Thaddäus Troll an. Im vorliegenden Fall standen die Aspekte Nr. 4 und 7 im Vordergrund. Der Angeschuldigte wollte auf die Forderung von … nicht eingehen und das Gespräch beenden. Strafbares Handeln des Angeschuldigten liegt nicht vor. Das Gericht lehnt den Erlass eines Strafbefehls aus rechtlichen Gründen ab.”

 

BVerfG vom 12. Mai 2009 – 1 BvR 2272/04

Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassung wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern – jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>; 93, 266 <294>). Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben hat das Landgericht verkannt. Zwar sind die in Rede stehenden Äußerungen ausfallend scharf und beeinträchtigen die Ehre der Betroffenen. Die angegriffenen Entscheidungen legen aber nicht in einer den besonderen Anforderungen für die Annahme einer Schmähung entsprechenden Weise dar, dass ihr ehrbeeinträchtigender Gehalt von vornherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes stand. Der Beschwerdeführer reagierte auf einen Anruf von einem mit dem Verfahrensstand vertrauten Journalisten, der ihn in seiner Eigenschaft als Strafverteidiger zu dem Ermittlungsverfahren gegen seinen Mandanten und dessen Inhaftierung befragte. In diesem Kontext ist es jedenfalls möglich, dass sich die inkriminierten Äußerungen auf das dienstliche Verhalten der Staatsanwältin vor allem mit Blick auf die Beantragung des Haftbefehls bezogen. Für die Annahme einer Schmähkritik reicht es unter diesen Umständen nicht, wenn das Landgericht nur darauf abstellt, dass die Äußerungen dabei nicht relativiert oder auf ganz bestimmte einzelne Handlungen der betreffenden Staatsanwältin Bezug nahmen. Es hätte insoweit in Auseinandersetzung mit der Situation näherer Darlegungen bedurft, dass sich die Äußerungen von dem Ermittlungsverfahren völlig gelöst hatten oder der Verfahrensbezug nur als mutwillig gesuchter Anlass oder Vorwand genutzt wurde, um die Staatsanwältin als solche zu diffamieren. So lange solche Feststellungen nicht tragfähig unter Ausschluss anderer Deutungsmöglichkeiten getroffen sind, hätte das Landgericht den Beschwerdeführer nicht wegen Beleidigung verurteilen dürfen, ohne eine Abwägung zwischen seiner Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht der Staatsanwältin vorzunehmen. An dieser fehlt es hier. Auch das Kammergericht hat diese nicht nachgeholt, denn es verweist lediglich auf eine „noch hinreichende“ Abwägung durch das Landgericht, die indes nicht stattgefunden hat.

 

OLG Oldenburg · Beschluss vom 14. April 2008 – Az. Ss 131/08 (I 70)

Beleidige Äußerungen gegenüber einem Staatsanwalt stellen nicht zwingend eine strafbare Beleidigung dar und können durch § 193 StGB geschützt sein. Nach Maßgabe des Eröffnungsbeschlusses und des Urteils waren Gegenstand der Verurteilung Äußerungen im Schreiben des Angeklagten an die Generalstaatsanwaltschaft vom 25. September 2006 über einen sachbearbeitenden Staatsanwalt. Mit diesem Schreiben legte der Angeklagte Beschwerde gegen die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens wegen falscher Verdächtigung ein, das auf seine Strafanzeige hin gegen die Verantwortlichen einer Kfz-Versicherung eingeleitet worden war. In dem – weithin unhöflich, überheblich und polemisch gehaltenen – Schreiben bezeichnete der Angeklagte u. a. „das Verhalten“ des sachbearbeitenden Staatsanwalts als „inzwischen ganz offensichtlich vollkommen entartet“; dieses spiegele in keiner Weise die Respektierung seiner grundgesetzlich garantierten Rechte wieder und schütze „ein ganz offensichtlich mafiös bzw. scientologisch organisiertes Unternehmen bei der gewerblichen Ausübung von Verbrechen gegen die Bevölkerung“; den „Super-Ermittlern“ der Staatsanwaltschaft verbliebe nur noch die Aufgabe, die Sache einem Richter vorzulegen. Das Amtsgericht hat hierin zu Recht die Erfüllung des äußeren und inneren Tatbestands der Beleidigung gesehen. Die Verurteilung beruht gleichwohl auf einem Rechtsfehler, weil dem Angeklagten zu Unrecht abgesprochen worden ist, in Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne von § 193 StGB gehandelt zu haben. Die in Rede stehenden Äußerungen sind sämtlich nicht als Tatsachenbehauptungen, sondern als Meinungsäußerungen zu werten. Das gilt nicht nur für die Ausdrücke „entartetes Verhalten“ und „Super-Ermittler“ sondern auch für die Äußerung, das Verhalten des Staatsanwaltes schütze „ein ganz offensichtlich mafiöses bzw. scientologisch organisiertes Unternehmen bei der gewerblichen Ausübung von Verbrechen gegen die Bevölkerung“. In dieser abstrusen Äußerung ist so wenig Tatsachensubstanz enthalten, dass sie letztlich nur als eine (abwertende) Meinungsäußerung angesehen werden kann. Meinungsäußerungen zur Ausführung von Rechten in einem gerichtlichen Verfahren, wozu auch das hier in Rede stehende Ermittlungsverfahren zählt, sind nach § 193 StGB nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht. Bei der Auslegung dieser Vorschrift dürfen keine zu engen Grenzen gezogen werden. Wertende Äußerungen über Verhalten und Person von Verfahrensbeteiligten stehen grundsätzlich unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Der subjektive Charakter einer abgegebenen Stellungnahme bedingt, dass sich ein Verfahrensbeteiligter zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt und insbesondere dem Verhalten der Gegenseite unter Umständen auch mit drastischen Worten äußern darf. Im „Kampf um das Recht“ darf ein Verfahrensbeteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, vgl. BverfG NJW 1991, 2074. Allerdings sind auch der Zulässigkeit von Meinungsäußerungen, die in einem gerichtlichen Verfahren gemacht werden, Grenzen gesetzt. Formalbeleidigungen, Schmähkritik und ehrverletzende Äußerungen, die in keinem inneren Zusammenhang zur Ausführung geltend gemachter Rechte stehen, sind auch dann nicht zulässig. Bei Zugrundelegen dieser Maßstäbe kann das angegriffene Urteil keinen Bestand haben. Die in Rede stehenden Äußerungen des Angeklagten unterfallen noch dem Schutzbereich des § 193 StGB. Die Ausdrücke „inzwischen ganz offensichtlich vollkommen entartetes Verhalten“ und „Super-Ermittler“ wurden nicht isoliert verwendet, sondern in Zusammenhang mit der anhängigen Rechtssache. Denn sie erfolgten im Rahmen einer Beschwerde gegen die staatsanwaltliche Sachbehandlung. Sie drücken die Unzufriedenheit des Angeklagten mit dem Vorgehen des Staatsanwalts zwar in grob unhöflicher und unangemessener Weise aus, stellen aber noch keine Formalbeleidigungen oder Schmähkritik dar.

 

Landgericht Oldenburg 5 O 1793/08

I.W. Innter.net Webservice Ltd klagt gegen Kritiker und verliert. I.W. Innter.net Webservice Ltd wurde als Betrüger bezeichnet.

Aus dem Urteil: “… Dabei ist zu bedenken, dass es zu den Garantien der Meinungsfreiheit gehört, dass der Kritiker prinzipiell auch seine strafrechtliche Bewertung von Vorgängen als seine persönliche Rechtsauffassung zum Ausdruck bringen kann, selbst wenn dieser objektiver Beurteilung nicht standhält…”

Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Antragsgegner durch die Emails an die Referenzkunden eine Meinung verbreitet. Die Mitteilung, Strafanzeige wegen Betruges stellen zu wollen, ist zwar eine Tatsachenbehauptung. Aber die Tatsache der Anzeigenerstattung ist offensichtlich nicht Streitgegenstand, sondern die darin enthaltene Auffassung, die Antragstellerin sei eine Betrügerin. Generell ist bei solch einer Äusserung zu prüfen, ob damit ein Verhalten (ab)qualifiziert oder ein weiterer, dem Beweis zugänglicher Sachverhalt mitgeteilt werden soll (BGH GRUR 89, 781, 782 – Wassersuche = VersR 89, 1048 = NJW-RR 90, 1058 = AfP 89, 669). Dabei ist zu bedenken, dass es zu den Garantien der Meinungsfreiheit gehört, dass der Kritiker prinzipiell auch seine strafrechtliche Bewertung von Vorgängen als seine persönliche Rechtsauffassung zum Ausdruck bringen kann, selbst wenn dieser objektiver Beurteilung nicht standhält.

So verhält es sich vorliegend. Wenn der Antragsgegner sich durch die Antragsstellerin “betrogen” fühlt, darf er äussern, dass er eine Anzeige erstatten will. Er darf auch erfragen, ob die Referenzkunden sich als Geschädigte ansehen. Denn gerade dazu dient doch die Benennung von Referenzkunden. Es soll gerade die Möglichkeit eröffnet werden, sich über die Zufriedenheit der Referenzkunden informieren zu können. Dass der Antragsgegner dabei seine Meinung über die Antragstellerin äussert, muss sie – mit Ausnahme der Schmähkritik – hinnehmen, wenn sie Referenzkunden benennt. Der Betreff der Email ist nicht als Unterstellung bzw. Tatsachenäußerung anzusehen, sondern muss im Zusammenhang mit dem Text der gesamten Email gesehen werden. Daher gibt der Betreff nur den wesentlichen Punkt der Email wieder. Dieser ist die Frage, ob seitens der Referenkunden ein “Missbrauch Ihres Firmennamens” vorliegt. Eine Tatsachenbehauptung liegt darin nicht.

Auch Äusserungen in der Email an CORE und die Äusserungen im Internetforum sind nach obigen Grundsätzen nicht als Tatsachenbehauptungen, sondern lediglich Werturteile anzusehen.

Als Meinungsäusserung steht der Vorwurf des Antragsgegners unter dem Schutz des Artikels 5 GG. Für Meinungsäusserungen gilt die Freiheit der Rede und der Kritik als oberstes Prinzip (Erman/Ehrmann, BGB, 7. A., Anhang zu § 12 RN. 144). Sie ist grundsätzlich weit zu verstehen und unterliegt einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und der Grenze der Zumutbarkeit (Erman/Ehrmann, BGB, 7. A., Anhang zu § 12 RN. 158 f.). Für sie gilt der Schutz des Grundgesetzes, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äusserung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird; sie darf scharf oder verletzend formuliert sein (BVerfGE 90, 241 = NJW 94, 1779); sie darf bis zur Grenze der Schmähkritik gehen.

Die Grenze der Schmähkritik wird hier nicht erreicht. Eine überzogene und selbst eine ausfällige Kritik macht für sich genommen die betreffende Äusserung noch nicht zur Schmähung. Sie nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht; sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person bestehen (BVerfG NJW 91, 1475, 1477; MDR 91, 125 = JZ 90, 1072 = AfP 90, 192). Wenn sie einen genügenden Sachbezug aufweist, ist eine herabsetzende Äusserung nicht als Schmähkritik einzustufen (BVerfG, aaO; OLG Köln, AfP 83, 404). Ein Sachbezug hinsichtlich der beanstandeten Äusserungen liegt vor. Das ergibt sich aus dem gleichzeitig mitgeteilten Hintergrund. Es geht also um eine sachliche und nicht um eine persönliche Basis. Es liegt daher durch die an die Referenzkunden gesandten Emails keine Rechtsgutverletzung vor. Gleiches gilt für die Äusserungen im Internetforum.

 

OLG Schleswig · Urteil vom 31. Januar 2008 – 5 U 96/07

 

Landgericht Hamburg – 307 O 361/08

Folgende Aussagen stellen innerhalb eines Gerichtsverfahrens mit Bezug auf den Streitgegestand keine Beleidigung dar:

a. „(…) welches von kranken und lügenden Anwälten (…) missbraucht wird.”

b. „(…), dass Herr Anwalt ….. meines Erachtens nach psychisch krank und ein Lügner ist. (…) Das weiß er noch besser als ich.”

d. „Er wird lügen (…).”

e. „(…). welche von einem solchen kranken und lügenhaften Anwalt vertreten wird, eine Unterlassungserklärung abgeben? Ihr Anwalt wird diese Tatsachen dann krankhaft und lügnerisch weiter nutzen.”

f. „(…), als die Handlungen solcher Kranker und Lügner (…).”

 

Kammergericht Berlin Berlin Urteil vom 08.10.2008 – 1 Ss 20/09

Diese Aussagen stellt nicht zwingend eine Beleidigung dar:

Rechtsanwalt  W.  agiere  „in komplizenhafter  Manier  auf  tiefstem  Gossenniveau“  und  die (vom  Angeklagten  angenommene  abenteuerliche)  Verdrehung von  Tatsachen  sei  „in  verwerflichster  Absicht“  sowie „(wider)  besseren  Wissens“  geschehen  sowie  von „Skrupellosigkeit“  getragen.

Beleidigung:  Erstreckung  der Meinungsfreiheit  auf  ehrverletzende  Äußerungen

a)  Für  die  Beurteilung  ist allerdings  zunächst  die  vom  Landgericht  nicht  näher betrachtete  Frage  von  Bedeutung,  ob  es  sich  bei  den  in Rede  stehenden  Äußerungen  um  Tatsachenbehauptungen  oder um  die  Kundgabe  von  Werturteilen  –  mithin  Meinungen  – handelt  (vgl.  BVerfG  NJW  2000,  199,  200;  BayObLG  NStZ-RR 2002,  40f;  OLG  Hamm  NStZ-RR  2006,  7;  KG  StV  1997, 485,  486;  Senat,  Beschluss  vom  16.  Mai  2008  –  [4]  1 Ss  121/06  [242/06]  -).  Die  Zulässigkeit  von Tatsachenbehauptungen  hängt  in  erster  Linie  von  ihrem Wahrheitsgehalt  ab;  ihr  Schutz  endet  dort,  wo  sie  zu der  verfassungsrechtlich  vorausgesetzten  Meinungsbildung nichts  beitragen  können,  so  dass  jedenfalls  bewusst  oder erwiesen  unwahre  Tatsachenbehauptungen  nicht  vom  Schutz der  Meinungsfreiheit  umfasst  sind  und  dementsprechend eine  Berufung  auf  den  Rechtfertigungsgrund  des §  193 StGB  grundsätzlich  nicht  möglich  ist  (vgl.  BVerfGE 90,  241,  247f).  Erweist  sich  eine  Äußerung  hingegen  als Meinungskundgabe,  steht  sie  unter  dem  besonderen  Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.  Es  kommt  dabei  nicht  darauf an,  ob  sie  sachlich  gerechtfertigt  oder  grundlos, emotional  oder  rational,  scharf  oder  verletzend formuliert  ist,  als  wertvoll  oder  wertlos,  gefährlich oder  harmlos  eingestuft  wird.  Während  bei  der Tatsachenbehauptung  die  objektive  Beziehung  zwischen  der Äußerung  und  der  Realität  im  Vordergrund  steht,  sind Meinungen  durch  die  subjektive  Beziehung  des  Einzelnen zum  Inhalt  seiner  Aussage  und  durch  Elemente  der Stellungnahme  und  des  Dafürhaltens  geprägt  (vgl.  BVerfGE 90,  241,  247),  enthalten  also  ein  Urteil  über Sachverhalte,  Ideen  oder  Personen  (vgl.  KG  StV  1997, 485,  486).  Tatsachenbehauptungen,  die  in  einem  solchen Werturteil  enthalten  sind,  nehmen  dabei  an  dem  Schutz der  Meinungsfreiheit  teil,  wenn  sie  die  Voraussetzung für  die  Bildung  von  Meinungen  sind,  weil  sich  diese  in der  Regel  auf  tatsächliche  Annahmen  stützen  oder  zu tatsächlichen  Verhältnissen  Stellung  beziehen  (vgl.  BVerfGE 90,  241,  247)  –  anders  ausgedrückt,  wenn  sie  sich,  wie häufig,  mit  Wertungen  verbinden  oder  vermischen,  beide sich  nicht  trennen  lassen  und  der  tatsächliche  Gehalt in  den  Hintergrund  tritt  (vgl.  BVerfG  NJW  2000,  199, 200;  zum  Ganzen  ausführlich  KG,  Urteil  vom  1.  September 2008,  (2)  1  Ss  120/08  (11/08),  m.w.N.).  b)  Das angefochtene  Urteil  leidet  insoweit  zwar  unter  dem grundlegenden  Mangel,  dass  es  die  inkriminierten Äußerungen  aus  einem  Zusammenhang  herausgelöst  und isoliert  betrachtet  hat.  Dies  ist  umso  unverständlicher, als  der  –  die  Äußerung  unmittelbar  auslösende  – Schriftsatz  des  Prozessgegners  in  allen  Einzelheiten mitgeteilt  worden  ist.  Eine  solche  isolierte  Betrachtung eines  umstrittenen  Äußerungsteils  wird  der verfassungsrechtlich  gebotenen  Betrachtung  aller wesentlichen  Umstände  des  Einzelfalles  regelmäßig  nicht gerecht  (vgl.  BVerfGE  82,  43,  52).  Denn  Voraussetzung jeder  rechtlichen  Würdigung  von  Äußerungen  ist,  dass  ihr Inhalt  zutreffend  erfasst  wird  (vgl.  BVerfGE  93,  266, 295;  NJW  2005,  3274).  Maßgebend  für  Inhalt  und Bedeutung  einer  Aussage  ist  der  Sinn,  den  sie  nach  dem Verständnis  eines  unvoreingenommenen  und  verständigen Durchschnittspublikums  hat.  Dabei  sind  alle  Umstände  der Äußerung  in  Betracht  zu  ziehen,  also  neben  ihrem Wortlaut  auch  ihr  Anlass  und  der  gesamte  Kontext,  in dem  sie  gefallen  ist  (ihre  „Einbettung“,  vgl.  BVerfG  NJW 2005,  3274,  3275;  OLG  Düsseldorf  NStZ-RR  2006,  206), sowie  die  weiteren  Begleitumstände  (vgl.  BVerfGE  93, 266,  295  =  NStZ  1996,  26,  27).

Bei  mehreren  Deutungsmöglichkeiten ist  das  Gericht  gehalten,  andere  mögliche  Deutungen,  die nicht  völlig  fern  liegen,  mit Gericht  gehalten,  andere mögliche  Deutungen,  die  nicht  völlig  fern  liegen,  mit schlüssigen  Argumenten  auszuschließen,  bevor  es  die  zur Verurteilung  führende  Bedeutung  zugrunde  legt  (vgl.  BVerfG NJW  2005,  3274  m.w.N.).  Fehlt  es  bei  der  Verurteilung wegen  eines  Äußerungsdelikts  daran,  so  kann  das  im Ergebnis  zur  Unterdrückung  einer  zulässigen  Äußerung führen.  Die  Herauslösung  einzelner  Elemente  aus  einer komplexen  Äußerung  und  ihre  vereinzelte  Betrachtung können  somit  den  Charakter  der  Äußerung  verfälschen  und ihr  damit  den  ihr  zustehenden  Grundrechtsschutz  von vornherein  versagen  (vgl.  BGH  NJW  1997,  2513;  OLG  Hamm NStZ-RR  2006,  7;  BayObLG  NStZ-RR  2002,  40,  41  m.w.N.).

 

BVerfG vom 30.Dezember 2008 – 1 BvR 1318/07

Bezeichnung als “Dummschwätzer” nicht zwingend eine Beleidigung,

 

OLG Koblenz vom 12.07.2007 – 2 U 862/06

Werturteile sind dann keine Beleidigung nach dem Strafgesetzbuch, wenn sich diese Werturteile auf ein “ehrminderndes Verhalten” des Betroffenen beziehen und in diesem Sinne richtig und auch angemessen sind. Im konkreten Fall wurden von dem Gericht selbst so klare Worte wie “Betrüger von Firma XY” oder “Achtung Betrüger unterwegs! Firma XY” im Kontext eines Gesamtbetrages als zulässige Meinungsäußerung und nicht als Beleidigung gewertet. Unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellte das OLG Koblenz fest, dass “in der öffentlichen Auseinandersetzung … auch Kritik hingenommen werden (muss), die in überspitzter und polemischer Form geäußert wird, weil andernfalls die Gefahr einer Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses droht.”;

2. Die Formulierung „Achtung Betrüger unterwegs!“ muss nicht zwangsläufig als Tatsachenbehauptung bewertet werden. Je nach Gesamtzusammenhang kann sie auch eine Meinungsäußerung darstellen, wenn der Verfasser erkennbar keine strafrechtliche Verurteilung meint, sondern eine Warnung für andere Nutzer des Forums zum Ausdruck bringen will.

 

OLG Hamm vom 11.12.2007 – 4 U 132/07

Veröffentlichung ungeschwärzter Gerichtsentscheidungen – Die Mitteilung von Gerichtsentscheidungen – unter ungeschwärzter Namensnennung der Prozessvertreter auch der unterlegenen Partei – kann im Einzelfall noch von der Mitteilungs- und Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG gedeckt sein.

 

Kammergericht Berlin vom 27.07.2007 – 9 U 211/06

…Zwar handelt es sich bei der Titulierung des Klägers als „Puff – Politiker“ nicht um eine – stets unzulässige – Schmähkritik. Eine solche liegt nicht bereits in der herabsetzenden Wirkung des Werturteils.

Die Freiheit der Meinungsäußerung schützt auch die polemische, ausfällige und überspitzte Kritik, die auch mit harten Worten vorgetragen werden kann. Sie endet erst dort, wo die Kritik sich nicht mehr auf die Sache bezieht, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfG NJW 2003, 3760; BVerfG NJW 1993, 1462; BGH NJW 1994, 124, 126). Das war hier nicht der Fall. Der Berichterstattung lag eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit zugrunde, nämlich der – unstreitige – Umstand, dass der Kläger jahrelang Eigentümer eines Mietshauses war, in dem Wohnungsprostitution betrieben wurde, und die darüber in seiner Fraktion geführte Diskussion. Die Beklagte durfte über den Kläger im Zusammenhang mit seinen Einnahmen aus den vermieteten Wohnungen kritisch, abwertend und konfrontativ berichten.

 

OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.01.2007 – 11 W 25/06

Der Domainname “lotto-betrug.de” ist weder als Tatsachenbehauptung noch als Schmähkritik zu verstehen.

 

EuGh für Menschenrechte Nr.  60899/00 – Urteil vom 2.11.2006

Entscheidung zur Meinungsfreiheit der Presse gegenüber Richtern und Gerichtsentscheidungen, Zur Freiheit der Presse gehört auch die Kritik an Gerichtsentscheidungen. Hierbei kann es indes erforderlich sein, das Vertrauen in die Gerichtsbarkeit gegen destruktive und haltlose Angriffe zu verteidigen. Haben herabsetzende Werturteile aber eine ausreichende tatsächliche Basis (hier: kritikwürdige Passage in einer Gerichtsentscheidung), darf kein allein destruktiver Angriff angenommen werden. Die Meinungsfreiheit ist für die demokratische Gesellschaft von konstitutiver Bedeutung. Sie stellt eine der grundlegenden Voraussetzungen für ihre Fortentwicklung und die Selbstverwirklichung des Einzelnen dar. Ihr Schutzbereich umfasst auch Meinungen, die verletzen, schockieren oder beunruhigen. Die Meinungsfreiheit kann ausnahmsweise eingeschränkt werden, jedoch sind die Ausnahmen eng auszulegen und das Bedürfnis für eine Einschränkung muss überzeugend dargelegt werden. Erforderlich kann eine Einschränkung gemäß Art. 10 II EMRK nur sein, wenn für sie ein dringendes gesellschaftliches Bedürfnis besteht. Für dessen Feststellung ist den Vertragsstaaten ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen, der jedoch in Fragen öffentlichen Interesses eng bemessen ist und der Überprüfung durch den EGMR auch hinsichtlich der Gesetzesanwendung durch die nationale Rechtsprechung unterliegt.

 

BUNDESGERICHTSHOF  VI ZR 189/06

Die Bezeichnung eines Gutachters als “namenloser Gutachter” stellt keine Beleidigung dar :

1. Der gegen die Bezeichnung des Gutachters als “namenlos” gerichtete Unterlassungsanspruch entsprechend §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht auf das Verbot unzulässiger Schmähkritik gestützt werden. b) Richtig ist auch, dass die Bezeichnung des Sachverständigen als “namenlos” Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens enthält und damit grundsätzlich dem Schutz der Meinungsfreiheit im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterfällt (vgl. Senatsurteil vom 16. November 2004 –VI ZR 298/03 – VersR 2005, 277, 278 m.w.N.). Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG greift unabhängig davon ein, ob diese Einstufung zugleich einen tatsächlichen Kern aufweist. Denn der Schutzbereich des Grundrechts erstreckt sich auch auf die Äußerung von Tatsachen, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2006 – VI ZR 45/05 – VersR 2007, 249, 250 m.w.N.; BVerfG, NJW 2003, 1109; BVerfGE 2, 325, 328), sowie auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden (vgl. Senat, BGHZ 132, 13, 21; Urteile vom 29. Januar 2002 – VI ZR 20/01 – VersR 2002, 445, 446; vom 5. Dezember 2006 – VI ZR 45/05 – VersR 2007, 249, 250; BVerfGE 61, 1, 9; 85, 1, 15; BVerfG NJW 2008, 358, 359).

 

BVerfG – 1 BvR 1745/06

 

OLG Karlsruhe vom 1.6.2004 – 1 Ss 46/04

„Wissen Sie was, Sie können mich mal…“ stellt für sich allein genommen noch keine Beleidigung dar.

 

OLG Hamm Urteil vom 4 Ss 138/04

Diese Aussagen stellt nicht zwingend eine Beleidigung dar: “Richter S. lügt offensichtlich” , „Richter S. inszeniert auf diese Weise einen reinen Schauprozess gegen mich“.

 

BVerfG vom 16. 10.1998 – 1 BvR 590196

Die Erklärung: “diesen Entwurf unmöglich als ausgewogene Arbeit eines unparteiischen Notars akzeptieren.” stellt ein zulässiges Werturteil und keine Beleidigung dar, BVerfG in NJW1999, Heft 31, S. 2262, 2263. Das ist an unserem alt ehrwürdigen Amtsgericht noch nie passiert. Rechtsanwalt Josef Mühlenbein hatte den Vertragsentwurf eines Briloner Notars sachlich kritisiert und zusammenfassend erklärt, er könne “diesen Entwurf unmöglich als ausgewogene Arbeit eines unparteiischen Notars akzeptieren.”

Der betroffene Notar erstattete Strafanzeige. Das Amtsgericht Brilon verurteilte Josef Mühlenbein wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe. Das Landgericht Arnsberg nahm die Berufung gegen das Urteil nicht an. Rechtsanwalt Mühlenbein legte eine Verfassungsbeschwerde ein und hatte Erfolg:

Das Bundesverfassungsgericht hob das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück an das Amtsgericht Brilon. Zusammen mit der sachlich begründeten Kritik an dem Vertragsentwurf stelle die Äußerung ein Werturteil dar, das durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei, urteilte das Bundesverfassungsgericht. Der anschließende Freispruch vor dem Amtsgericht Brilon war dann nur noch Formsache.

 

Europäische Gerichtshof für Menschenrechte  vom 01.07.1997 – 20834/92

Die Bezeichnung „Trottel“ gegenüber einem Politiker stellt nicht zwingend eine Beleidigung dar. Für Äußerungen von Journalisten über Politiker hebt der EGMR den Grundsatz hervor, dass Meinungsfreiheit auch für schockierende oder verletzende Äußerungen gilt. Die journalistische Freiheit umfasst auch die Möglichkeit der Übertreibung oder Provokation.

 

BVerfG vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, 1 BvR 1980/91, 1 BvR 102/92 , 1

“Soladaten sind Mörder” stellt keine Beleidigung dar. Mit dieser Begründung zeigt das Gericht die Wirkung der Doppelbegründung der Meinungsfreiheit. Schmähkritik liege nur dann vor, wenn die persönliche Kränkung das sachliche Anliegen des Äußernden völlig in den Hintergrund dränge. Mit dem Tucholsky-Zitat äußerten sich die Beschwerdeführer gegen die soziale Funktion von Soldaten. Damit bleibe ihre Kritik am Töten im Kriegsfall im Vordergrund.

 

BVerfG vom 26.06.1990 – 1 BvR 1165/89

BVerfG: Postmortale Schmähkritik – „Zwangsdemokrat“

2. a) Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt die Meinungsfreiheit sowohl im Interesse der Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen, mit der sie eng verbunden ist, als auch im Interesse des demokratischen Prozesses, für den sie konstitutive Bedeutung hat (vgl. BVerfGE 7, 198 [208]). Das Ausmaß des Schutzes kann allerdings von dem Zweck der Meinungsäußerung abhängen. Beiträge zur Auseinandersetzung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage genießen stärkeren Schutz als Äußerungen, die lediglich der Verfolgung privater Interessen dienen (vgl. BVerfGE 54, 129 [137]; 61, 1 [11]; 66, 116 [139]).

Bei ersteren spricht eine Vermutung zugunsten der freien Rede (vgl. BVerfGE 7, 198 [208]). Insbesondere muß in der öffentlichen Auseinandersetzung, zumal im politischen Meinungskampf, auch Kritik hingenommen werden, die in überspitzter und polemischer Form geäußert wird, weil andernfalls die Gefahr einer Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses drohte (vgl. BVerfGE 54, 129 [139]; 60, 234 [241]). Eine Auslegung der die Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetze, die an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik in politischen Auseinandersetzungen überhöhte Anforderungen stellt, ist daher mit dem Grundgesetz nicht vereinbar (vgl. BVerfGE 42, 163 [170]; 54, 129 [137 ff.]; 60, 234 [240]; 68, 226 [232]).

 

BVerfG vom 14. Juli 1987 – 1 BvR 537/81 und Artikel

“Halbtagsrichterinnen, die ungestört richterlichen Unfug anrichten” und “Richterin als Heimsuchung, die vom Richtertisch ihre Arroganz der Macht ausspielt” stellt nicht zwingnd eine Beleidigung dar.

Dem Präsidenten des Landgerichts ging das zu weit – er stellte Strafantrag wegen Beleidigung gegen den Rechtsanwalt. Die Staatsanwaltschaft sah das ähnlich und beantragte einen Strafbefehl mit einer Geldstrafe von 6.000 Euro.

Der Rechtsanwalt legte Einspruch ein und führte in der folgenden Hauptverhandlung aus, er habe schließlich nur die berechtigten Interessen seiner Mandantschaft wahrnehmen wollen – auch wenn die Grenzen der Höflichkeit dadurch im Einzelfall überschritten würden. Die in dieser Verhandlung zuständige Richterin sah das ähnlich: Im Kampf um das Recht dürfe auch eine „starke, sinnfällige Sprache“ erwendet werden – wie das Bundesverfassungsgericht für sprachliche Entgleisungen von Rechtsanwälten bereits mehrfach entschieden hat; vgl.  BVerfG NJW 2008, 2424 [2426] und besonders deutlich in BVerfGE 76, 171 [192]:

Die Wahrnehmung dieser Aufgaben erlaubt es dem Anwalt – ebenso wie dem Richter – nicht, immer so schonend mit den Verfahrensbeteiligten umzugehen, daß diese sich nicht in ihrer Persönlichkeit beeinträchtigt fühlen. Nach allgemeiner Auffassung darf er im „Kampf um das Recht“ auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, ferner Urteilsschelte üben oder „ad personam“ argumentieren, um beispielsweise eine mögliche Voreingenommenheit eines Richters oder die Sachkunde eines Sachverständigen zu kritisieren. Nicht entscheidend kann sein, ob ein Anwalt seine Kritik anders hätte formulieren können; denn grundsätzlich unterliegt auch die Form der Meinungsäußerung der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung.

Der Rechtsanwalt wurde deshalb vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen.

 

BVerfG vom 22.06.1982 – 1 BvR 1376/79

CSU sei “die NPD von Europa” im Wahlkampf nicht zwingend eine Beleidigung.

By Tom Rebbalter

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